Ein spannendes Gespräch mit dem Immobilienexperten Mag. (FH) Paul Schwarz, MA, MRICS zu den Themen ESG, Nachhaltigkeit in der Immobilien-Branche und warum man bei diesen Themen immer Up-to-date sein sollte:
Energiewende in der Bau- und Immobilienbranche
Streitthema Leerstandsabgabe
Immobilien- und Baubranche im Wandel
Inflation, Baustoffpreise, Zinspolitik – Immobilienblase im Anmarsch?
Interview-ARS
ESG – Emissionshandelssystem für Gebäude
ESG in der Immobilienwirtschaft
Die Themen Nachhaltigkeit, ESG, SRI werden für die Immobilienwirtschaft in den nächsten Jahren eine große Rolle spielen.
Der Umstand, dass weltweit mehr als ein Drittel der CO2-Emissionen auf Gebäude entfallen, und die Tatsache, dass sich die EU verstärkt dem Klimaschutz verschrieben hat, wird die Immobilienwirtschaft dazu bringen, hier Verantwortung zu übernehmen.
Wer sein Geschäftsmodell nicht rechtzeitig auf ein nachhaltiges Modell umstellt, wird über kurz oder lang zur Rechenschaft gezogen werden. Wer auf dem Markt langfristig bestehen will, hat keine andere Wahl, sich diesem Thema mit aller Ernsthaftigkeit und Offenheit zu stellen.
Dabei geht es für die Immobilienbranche im Rahmen der Nachhaltigkeitsmaßnahmen auch um bisher eher vernachlässigte Themen wie soziale Kriterien und Corporate Governance.
ESG ist das Zukunftsthema Nr.1. in aller Munde. Und wir sprechen hier nicht von einem kurzfristigen Trend oder ein Modewort, sondern von demnächst konkret Messbarem und Vergleichbarem.
Schon MSCI (IPD) hatte mit seinem bisherigen Leitspruch Recht, welcher auch bei diesem Thema Gültigkeit hat:
What isn’t measured, isn’t managed!
Der Wirkungsansatz von Immobilieninvestitionen auf ESG-Zielen beginnt mit der Diskussion um die Endlichkeit natürlicher Ressourcen und dem bereits spürbaren Klimawandel.
Gebäude sind bei Bau, Bewirtschaftung und Betrieb sowie Rückbau über den gesamten Immobilien Lebenszyklus wesentliche Verbraucher von Energie, Land, Wasser und sonstiger Rohmaterialien. Sie haben einen hohen Anteil an Emissionen von CO2/Kohlendioxid (v.a. Treibhausgas, Müll und Abwasser).
Im Jahr 2015 wurde auf internationaler Ebene und mit einem ganzheitlichen Zielsystem die Agenda 2030 der UN mit 17 Sustainable Development Goals (SDG) verabschiedet.
Im gleichen Jahr wurde das Pariser Klimaschutzabkommen zur Eindämmung des Klimawandels durch Emissionsminderung verabschiedet. Ziel ist, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu halten und weitere Anstrengungen zu unternehmen, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Die EU hat sich mit Bezug auf diese beiden Vereinbarungen mit dem Weg in die Zukunft über die kommenden 15 Jahre intensiv befasst. Für die bevorstehende Transformation spielt der Finanzsektor eine Schlüsselrolle für die Mobilisierung des notwendigen Kapitals. Dafür wurde 2018 mit dem Aktionsplan zur Finanzierung des nachhaltigen Wachstums (Sustainable Finance) die Grundlage gelegt.
Im Dezember 2019 wurde der EU Green Deal mit einer neuen Wachstumsstrategie verabschiedet, mit der ein Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft gelingen soll, in der bis 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden.
In den ersten Verordnungen, EU-Taxonomie und EU-Offenlegungsvereinbarung (SFDR: Sustainable Finance Disclosure Regulation), sind ökologische, soziale Merkmale sowie verantwortungsvolle Unternehmensführung, d.h. ESG-Aspekte, hinterlegt.
Folgende zwei Ansatzpunkte für das Erreichen der Ziele des EU Green Deals betreffen die Immobilienbranche:
1. Immobilien
Immobilien als solches sind für 40% des Energieverbrauchs in der EU verantwortlich und 36% der Treibhausgas-Emissionen. Es wird davon ausgegangen, dass 85-95% der Gebäude zum Zieldatum der klimaneutralen Wirtschaft 2050 noch Bestand haben.
Insbesondere das Zwischenziel für die Reduktion des CO2-Ausstosses bis 2030, hat die EU im September 2020 noch einmal verschärft. Daher ist in einer Renovierungswelle geplant, dass 35 Millionen energieineffiziente Gebäude bis 2030 renoviert werden.
2. Kapitalströme in Immobilieninvestitionen
Immobilien haben als Anlagegegenstand neben Aktien, festverzinslichen Wertpapieren, Beteiligungen usw. einen festen Platz bei der Kapitalallokation von Investoren, angefangen von privaten Kleinanlegern z.B. als Inflationsschutz bis zu großen institutionellen Investoren wie Versicherungen, Pensionsvorsorgekassen, Staatsfonds. usw.
Mit der voll umfänglichen Anwendung der EU-Verordnungen zu Sustainable Finance sollen nachhaltige Investmentangebote klar unterscheidbar sein von traditionellen Wirtschaftsaktivitäten.
EU-Taxonomie
Die EU-Taxonomie in der Fassung vom 18. Juni 2020 definiert Kriterien für die Ermittlung des Grades einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsaktivität für eine Investition. Die Verordnung soll Klarheit für Anleger bezüglich der Einordnung der Finanzprodukte schaffen, da der Markt bereits viele Nachhaltigkeitslabel für Finanzprodukte und Immobilien nutzt mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Das sogenannte „Greenwashing“ im Bereich Marketing und Vertrieb soll somit verhindert werden.
Sechs EU Umweltziele sind konkret definiert:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
- Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme.
Weiters muss ein ökologisch nachhaltiges Finanzprodukt folgende vier Aspekte nachweisen können:
- Es muss zu einem der sechs definierten Umweltziele beitragen.
- Es darf gleichzeitig keines der anderen Umweltziele erheblich beeinträchtigen („does not significantly harm“, auch DNSH-Regel).
- Die Wirtschaftsaktivitäten müssen Mindestschutzrechte für grundlegende und ordnungsgemäßer Geschäftsführung beachten.
- Das Finanzprodukt beziehungsweise. das Investment muss einem technischen Kriterienkatalog entsprechen.
Die EU-Taxonomie findet Anwendung ab dem 1. Januar 2022 in Bezug auf die zwei Umweltziele -> Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Ab 1. Januar 2023 folgen sann die weiteren vier Umweltziele.
Damit legt die EU-Taxonomie für Finanzprodukte den Schwerpunkt auf „E“ (Environment), sprich Umweltziele. Sozial gerechte Bedingungen „S“ (Social) und ordnungsgemäße Unternehmensführung, „G“ (Governance), sind als Nebenbedingungen formuliert.
EU-Offenlegungsverordnung (SFDR)
Die SFDR vom 27. November 2019 befasst sich mit Transparenzvorschriften für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten für Akteure auf den Finanzmärkten, d.h. Investoren, Investment Manager und Finanzberater.
Bzgl. Finanzprodukten werden die Akteure zur „Bereitstellung von Information über die Nachhaltigkeit“ verpflichtet. Dabei greift diese Verordnung weiter mit der Definition „nachhaltige Investition“ als die EU-Taxonomie.
Für Produkte ohne Berücksichtigung von ESG-Faktoren sind Unternehmen verpflichtet, erstens, dies offenzulegen und zweitens zu begründen, warum die Berücksichtigung nicht notwendig ist. Das bedeutet in Zukunft eine Negativ-Auszeichnung für Finanzprodukte.
Die großen Kapitalsammelstellen, institutionelle Investoren und Vermögensverwalter, werden durch ihre eigenen Transparenzverpflichtungen zu ihrem Investitionsverhalten auch ihre Immobilienanlagen in ESG-konforme Produkte umschichten.
Daher werden Investment Management Unternehmen, die diese Großanleger als Investoren haben, behalten oder gewinnen möchten, das Thema ESG in ihre Strategie integrieren müssen, um weiter im Geschäft zu bleiben.
EU-Benchmarks:
Die konkreten Kriterien und Messmethoden, sprich die technischen Regulierungsstandards für Immobilien als Vermögensgegenstände sind in der finalen Ausarbeitungsphase. Die hohen EU-Anforderungen lassen jedoch vermuten, dass vorerst nur sehr wenige Immobilienfonds am Markt verfügbar sind, die als taxonomie-konforme ESG-Produkte kategorisiert werden können.
Aufgrund der Sustainable Finance Regulierungen kann von einer Verschiebung der Nachfrage in Richtung taxonomie-konforme ESG-Produkte ausgegangen werden, insbesondere bei großen institutionellen Investoren.
ESG Themen im Lebenszyklus der Immobilie / Investments
Bereits jetzt deutet sich an, dass den ESG-Kriterien eine wichtige Rolle an diversen Stellen innerhalb des immobilienspezifischen Investmentzyklus zukommen wird:
Investmententscheidung (Auswahl, Marktanalyse)
ESG-Kriterien können bereits als Ausschlusskriterium dafür fungieren, ob eine Immobilie sich für eine nachhaltige Investition eignet (ESG-konformes Investment). Entsprechend höhere Bedeutung werden ESG-Kriterien auch in der Due Diligence (Ankaufsprüfung) spielen sowie Projektentwicklungen müssen sich daran messen lassen, ob und welche ESG-Standards sie erfüllen.
Investitionsphase (Ankauf, Projektentwicklung)
Entsprechend wird den ESG-Kriterien auch preisbildende Bedeutung zukommen und es ist davon auszugehen, dass sie zukünftig fester Bestandteil der finalen Entscheidung eines jeweiligen Investors werden.
Bewirtschaftungsphase (Bestandhaltung)
Während der Haltedauer einer Immobilie werden sich Maßnahmen zur ESG-Wertschaffung etwa durch Maßnahmen zu Reduzierung und Monitoring von Umwelteinwirkungen, Zertifizierung des Gebäudes und diverse Mietermaßnahmen etablieren. Außerdem werden Portfolio- bzw. Asset Manager auch nach ihrer Kompetenz ausgewählt werden, solche Mehrwerte zu schaffen.
Deinvestitionsphase (Verkauf, Abriss)
Das kontinuierliche Monitoring und Management von ESG Kriterien wird dauerhaft zu einem wertbildenden Faktor, der sich in dem beim möglichen Exit zu erzielenden Verkaufspreis widerspiegelt. Neben dem wirtschaftlichen Erfolg liegt ein Teil des Mehrwerts auch in der sozialen Verantwortung, welche mit der Immobilie übernommen worden ist.
ESG Ratings / Immobilienbewertung
Wie schlagen sich ESG-Ratings nun konkret auf den Wert einer Immobilie nieder?
Eine fundierte mit konkreten Zahlen belegte Aussage, nach dem Motto, „eine nachhaltige Immobilie ist X Prozent mehr wert als eine nicht nachhaltige Immobilie“, gibt es derzeit nicht und wird es ohne Investition des Managements in ESG Know-How und Digitalisierung auch nicht geben.
Welche Kriterien können schon bestimmt bzw. ermittelt werden?
Grundsätzlich ist festzustellen, dass der Mehrwert von ESG– oder Nachhaltigkeitskriterien sich in zwei Dimensionen niederschlagen kann.
Einerseits in der Immobilienqualität an sich – dem verwendeten Material, der Lage, der Konzeption, Resilienz und Flexibilität. Dies kann sich in guter Nutzbarkeit, geringen Betriebskosten und einer langen Restnutzungsdauer niederschlagen und somit den Wert der Immobilie erhöhen, unabhängig von einem Rating, Scoring oder einer Zertifizierung.
Auf der anderen Seite beeinflusst auch die Transparenz, die ein Zertifikat oder ein Rating den Marktteilnehmen bietet, den Verkehrswert. Der Einfluss von Nachhaltigkeit kann aufgrund des aktuell geringen Angebots hierbei zunächst in einem hohen Preisaufschlag liegen, welcher sich, sobald sich die Anzahl nachweislich nachhaltiger Immobilien auf dem Markt erhöht, verringern und zuletzt in einen Wertabschlag für nicht nachhaltige Immobilien umschlagen könnte.
Es gilt: Ein vorbildliches Abschneiden in einem ESG-Rating/Scoring in Kombination mit einem anerkannten internationalen Nachweis sollte das Hauptziel darstellen.
Aus der Bewerter Sicht ist eine umfassende Datengrundlage immer von größter Wichtigkeit bei der Wertermittlung. Hier benötigt es Standards, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, sowie Technologie, um die entstehenden Datenmengen noch überblicken und auswerten zu können.
Die klassischen BREEAM-, LEED- oder DGNB/ÖGNI-Nachhaltigkeits-Zertifikate haben bereits hervorragende Vorarbeit in Bezug auf die Definition und Messbarkeit der Kriterien geleistet. Liegen derartige Zertifikate vor, deuten diese zwar auf einen ökologischen Anspruch hin, jedoch ist das Vorliegen einer Zertifizierung oder eines Ratings allein für eine Bewertung kaum eine belastbare Größe. Vielmehr ist hier die Frage „Was wurde wann zertifiziert und vor allem mit welchem Ergebnis?“ entscheidend.
Der Immobilienbewerter benötigt deshalb so viele gebäude- und lagespezifische Informationen wie möglich, zum Beispiel den CO2-Ausstoß oder die Infrastruktur, um eine Einschätzung der Wertauswirkung vornehmen zu können, die zu dem Zertifizierungsergebnis geführt hat. Erst dies ermöglicht es dem Gutachter die einzelnen Qualitätskriterien für das spezifische Objekt in den vielfältigen Bewertungsparametern zu berücksichtigen.
Deshalb stellt der Aufbau eines standardisierten Datengerüstes die Grundlage für ein aussagekräftiges ESG-Reporting ebenso wie eine Immobilienbewertung dar. Relevante Informationen müssen gesammelt, fortlaufend ergänzt und strukturiert in einem Datawarehouse (DWH) gespeichert werden, um eine effiziente Auswertung für das Reporting und die Bewertung möglich zu machen. Der Aufbau eines Informationssystems für ein effizientes ESG Reporting kann bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen, wobei rechtzeitige Investition in Digitalisierungsmaßnahmen diesen Prozess vereinfachen und beschleunigen kann.
Eine Möglichkeit wäre es, das DWH mit einem international anerkannten Scoring-System zu verknüpfen. Vorteil für Immobilieninvestoren, -verwalter oder -betreiber ist, dass solch ein Scoring die erforderlichen Taxonomie-Kriterien des Pariser Klimaschutz-Abkommens und des EU Green-Deal abbildet. Das Management sowie potentielle Investoren können somit anhand eines Prozentwertes von null bis 100 sofort erkennen, wie gut eine Immobilie Klima-Ziele und ESG-Kriterien erfüllt.
Die Tragweite eines international anerkannten Scoringsystems, welches für Investoren eine anbieterübergreifende Transparenz schafft, wo sich die jeweiligen Immobilienportfolien (und auch auf Einzelobjektebene) auf dem Pfad zur CO2-Neutralität befinden, ist enorm.
Denn künftig wird es Investoren, Banken und Versicherungen im Rahmen von Investment- und Finanzierungsprozessen ermöglicht, Immobilienprodukte hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit im Gesamtmarkt einzuordnen. Die Folgen einer länderübergreifenden internationalen Vergleichbarkeit (EU-Benchmark) der Performance von Immobilien und Portfolios kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Zwei Projektschritte werden uns hier in den nächsten Jahren beschäftigen:
Erstens wird diese Entwicklung eine zunehmende intensive Zusammenarbeit unter allen Marktbeteiligten befördern, weil der gezielte Ausbau des Nachhaltigkeits-Netzwerks zwischen Investoren, Entwicklern, Property-, Facility- und Asset-Managern sowie Banken, Versicherungen und relevanten Immobilien-Branchenverbänden die Grundlage für nachhaltige Maßnahmen bilden wird. Hier wird die Grundlage für eine umfassende Datenbasis sowie ein entsprechendes ESG Reporting geschaffen.
Und zweitens wird dadurch die konkret messbare Vergleichbarkeit zur Basis für ein Benchmarking innerhalb der Immobilienbranche. Einfach salopp zu erklären, man sei nachhaltig, wird nicht mehr ausreichen. Man wird de facto den Beweis antreten müssen – und dieser wird konkret in Zahlen darstellbar und überprüfbar sein. Das sogenannte Greenwashing wird somit der Vergangenheit angehören, ein fundiertes ESG Zahlenwerk sowie der transparente Benchmark unter den Marktteilnehmern wird state of the art sein.
Sollten Sie Unterstützung bei der Umsetzung ihrer ESG Themen im Unternehmen benötigen, stehen wir Ihnen gerne für ein Erstgespräch zur Verfügung: office@paulschwarz.at / office@yournetwork.at
Laufende Seminare im Bereich Immobilienmanagement finden Sie hier: https://ars.at/referenten/paul-schwarz/
Aktuelles Seminar ESG & Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft –
Anmeldung hier: https://ars.at/seminar/10039/
Leistbares Wohnen, steigende Immobilienpreise, Quo vadis?
Ganz ohne Spuren hat die Covid19 Pandemie die Immobilienbranche nicht hinterlassen – selbst im Investmentbereich nicht. Das Transaktionsvolumen ist 2020 gegenüber dem Vorjahr in Europa um rund 17 Prozent gesunken, für Deutschland vermeldete JLL einen Rückgang um 11 Prozent. Dies lag aber nicht unbedingt am mangelnden Interesse der Investoren, vielmehr sorgten auch die eingeschränkten Kontakt- und Reisemöglichkeiten dafür, dass weniger Deals zustande kamen. Auch im ersten Halbjahr 2021 sieht es noch nicht viel besser aus, ein Minus von 20 Prozent hat JLL gegenüber dem Vorjahreszeitraum errechnet.
Auch wenn Corona die Immobilienwirtschaft im Ganzen nicht so hart getroffen hat wie andere Branchen, lohnt ein Blick unter die Oberfläche. Denn die Pandemieauswirkungen auf die einzelnen Assetklassen bzw. Nutzungsarten unterscheiden sich gravierend. Die großen Verlierer sind Hotels und Einzelhandel – vor allem in den Großstädten und Shoppingcentern. Hier dürfte es zu größeren Wertanpassungen bei den Objekten kommen. Supermärkten und Fachmarktzentren hat die Pandemie offensichtlich weniger geschadet, diese zählen weiterhin zu den Lieblingen der Investoren.
Auf der Gewinnerseite stehen auf jeden Fall Logistik- und Wohnimmobilien. Der Boom bei Logistikimmobilien hat sich während der Lockdowns durch den verstärkten Onlinehandel noch beschleunigt, und auch bei Wohnimmobilien scheinen krisenbedingte Wertverluste aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlich.
Im Gegenteil Häuser und Wohnungen in der DACH Region haben sich im zweiten Quartal 2021 erneut massiv verteuert. Die kontinuierlichen Preisanstiege führen auch auf die Corona-Pandemie zurück. Seit den Lockdowns wünschen sich immer mehr Menschen Wohneigentum. Leider kann das Angebot immer noch nicht mit der starken Nachfrage mithalten, was logischerweise zu einer weiteren Verteuerung der Wohnimmobilienpreise führt. Zudem seien gerade Wohnimmobilien wegen der weiter bestehenden Niedrigzinsen seit langem bei Investoren gefragt.
Immobilien galten schon immer als reizvolle Anlageklasse. Mit den gesunkenen Zinsen haben sie bei vielen Anlegern aber erst richtig an Beliebtheit gewonnen. Institutionelle Investoren in aller Welt stocken den Immobilienanteil in ihren Portfolios stetig auf. Die Corona-Pandemie steigert die Attraktivität risikoarmer Immobilien-Investments sogar noch, auf der Suche nach halbwegs sicherer Rendite und steten Erträgen strömt frisches Kapital in die Immobilienmärkte – und treibt somit die Preise.
Ist von überhitzten Märkten die Rede, dann wird gerne auf die Immobilienmärkte in den sieben größten deutschen Städten verwiesen. Egal, ob Großstadt oder Kleinstadt: Überall in Deutschland steigen die Preise für Wohnimmobilien. In den sieben Zentren Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart lag der Quadratmeterpreis für Eigentumswohnungen im April 2021 bei rund 5.700 Euro. Das ist ein Plus von über 6% gegenüber Oktober 2020.
Eigentum ist auch eine gute Wertanlage für diejenigen, die es sich leisten können. Denn die erwarteten Renditen sind höher als etwa beim klassischen Sparbuch. Außerdem liegen die Zinsen wie bereits erwähnt derzeit weiterhin auf einem niedrigen Niveau.
Um 45 Quadratmeter Wohnungseigentum zu erwerben, muss man in Österreich im Schnitt rund fünf Netto-Jahresgehälter aufwenden, geht aus Berechnungen der Agenda Austria auf Basis von Daten von Statistik Austria und dem Rechnungshof für das Jahr 2019 hervor. Wohnen in Wien kostet mit mehr als sechs Jahreseinkommen am meisten. Am günstigsten ist der Wohnraum im Burgenland mit zwei Jahresgehältern.
Für jene Leute, die zur Miete wohnen, werden die vermehrt am Markt auftretenden befristeten Mietverträge oft zur Belastung. Zwischen 2008 und 2018 erhöhte sich der Anteil der befristeten Mietverträge im privaten Bereich von 30,2 auf 45,8 Prozent. Das zeigt die Wohnstatistik 2019 der Statistik Austria. Der Grund: Vermieter wollen sich nicht mehr lange binden, um zukünftige Preissteigerungen besser nutzen zu können.
Wohnen wird jedoch für viele Menschen immer weniger leistbar. Kurzarbeit und steigende Arbeitslosenzahlen tragen hierzu ihren Anteil bei.
Dass es sich dabei nicht nur um ein Gefühl handelt, zeigt auch die Statistik. Laut offiziellen Quellen sind die Häuserpreise seit 2008 fast dreimal und die Mietpreise bei Neuvermietungen fast doppelt so stark gestiegen wie das Haushaltseinkommen.
Wohnen hat sich auch in der Corona-Krise weiter verteuert, sowohl Eigentum als auch Mieten, wie der aktuelle Immobilienpreisspiegel der WKÖ zeigt. Während die Einkommen stagnieren, explodieren die Wohnkosten in Österreich. Gerade Mieten sind deutlich stärker als die Inflation gestiegen.
Wohnen ist somit der Preistreiber Nummer eins!
Was tun gegen die steigenden Immobilienpreise?
Es wäre eigentlich logisch, nicht weiter diejenigen zu fördern, die bereits im Eigentum wohnen. Haushalte, die im Eigentum wohnen, haben ein vergleichsweise höheres Einkommen als jene, die zur Miete wohnen.
Dennoch gibt es steuerliche Maßnahmen, die den Kauf von Wohnungen begünstigen. Wenn man Eigentum weiter fördern will, müsste man im Gegenzug auch die Mieter entlasten, weil das diejenigen sind, die eben noch kein Eigenheim besitzen. Die generelle Schieflage wird man aber nicht nur durch wohnungspolitische Maßnahmen ausgleichen können. Angesichts von deutlich stärker steigenden Immobilien- und Mietpreisen im Vergleich zu den Löhnen wird leistbares Wohnen ohne eine Erbschaft im Hintergrund für alle immer schwieriger. Die OECD empfiehlt Österreich seit Jahren eine Senkung des Eingangssteuersatzes, um den Faktor Arbeit zu entlasten und dies durch andere Steuerquellen wie laufende Immobiliensteuern zu finanzieren.
Es braucht ein Angebot, das schneller wächst als die Nachfrage. Es bräuchte wohl auch eine Subjektförderung, um die Mieter direkt zu unterstützen. Vor allem Menschen, die wenig verdienen, sollten in den Genuss von Gemeinde- bzw. Sozialwohnungen kommen, keinesfalls Gutverdiener. Der weitere Ausbau des sozialen Wohnbaus ist durchaus eine sinnvolle Maßnahme, um die Immobilienpreise und Mieten zu reduzieren. Gerade in Wien sollte in den stark nachgefragten Segmenten noch mehr gebaut werden.